Die Tage lief es durch die Nachrichten: Apple-Chef Tim Cook hat zum ersten Mal über die Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben gesprochen. Die Presse hat das aber meiner Meinung nach irgendwie nicht ganz richtig verstanden und die Stammtische in diesem Land kommen zum Ergebnis „endlich machen die mal was“. Aber was genau ist das, was „die“ machen? Ein paar Überlegungen.Wir erinnern uns an eine Zeit zu der es Apple deutlich schlechter ging als heute. Damals stellte Apple seine Hardware in Eigenregie her, hatte hohe Fertigungskosten und drohte an sich selbst einzugehen. Damals kam dann Tim Cook. Seine Vorschläge zur Optimierung wurden von Steve Jobs abgenickt und die Folge war, dass Apple die eigene Herstellung aufgab und komplett auf das zu diesem Zeitpunkt bereits weit verbreitete OEM-Prinzip setzte. Dabei werden die Geräte komplett oder teilweise von Zulieferbetrieben im Auftrag produziert. Das war jedoch keinesfalls eine Erfindung von Apple oder Tim Cook, sondern bereits Usus in der Branche.
Heute fertigt kaum noch ein Elektronik-Hersteller selbst, sondern lässt seine Produkte in Gegenden dieser Welt fertigen in denen es so günstig wie nur irgend möglich ist.
In diesen Ländern werden die Gesundheit und Arbeitszeiten der Arbeiter nicht annähernd so geschützt, wie in Europa oder der sogenannten „ersten Welt“. Aber es sorgt auch dafür, dass wir Notebooks für 400 € kaufen können und Fernseher für unter 200 € zu bekommen sind. Erweitert auf andere Branchen sind diese Bedingungen auch dafür verantwortlich, dass man Schuhe und Bekleidung beim Discounter für kleines Geld kaufen kann.
Was ich damit sagen will? Ganz einfach: Wir brauchen diese menschenverachtenden Arbeitsbedingungen. Unser ganzer Wohlstand braucht diese Bedingungen, denn nur mit ihnen ist es möglich, dass wir unseren Lebensstandard aufrecht erhalten können. Das mag hart klingen, dürfte aber jedem klar sein, der ein bisschen darüber nachdenkt. Wer in den Elektronik-Markt geht und ein Notebook für 400 € kauft, der will nicht nur billige Komponenten, sondern er will auch, dass in China Leute unter für unser Verständnis unwürdigen Bedingungen diese Geräte zusammenschrauben. Jeder, der ein solches Gerät kauft signalisiert damit „ja, ich will, dass diese Arbeiter in China geknechtet werden, denn ich finde das gut, denn es liefert mir günstige Geräte“. Wer seine Schuhe beim Discounter kauft, der findet es gut, dass in armen Ländern die Arbeiter in Gerbereien und Färbereien ihre Gesundheit für unsere günstigen Preise opfern und elendig an den Folgekrankheiten verrecken.
Wenn wir schon bei China sind, bleiben wir auch kurz da. Meine Informationen beziehe ich dazu aus erster Hand von Personen die schon seit vielen Jahren in China leben und auch in den entsprechenden Bereichen über Einblick verfügen. Bei uns in der Presse kommt beispielsweise eine Meldung, wenn bei Foxconn (einer der größten Auftragsfertiger (wenn nicht sogar dem größten) für Elektronik) ein Arbeiter Selbstmord begeht. In der entsprechenden Region in China interessierte sich aber tatsächlich niemand dafür und auch die dortige Presse griff das Thema nicht auf.
Nach meinen Informationen ist es aber auch so, dass die Bedingungen bei Foxconn für unsere Verhältnisse zwar schlimm, für China aber durchaus üblich und noch zu den besseren gehören. Auch die gezahlten Löhne sind höher als in vergleichbaren Bereichen.
In der „ersten Welt“ stürzte man sich auf die Firma Apple, weil sie angeblich für diese Verhältnisse verantwortlich sei und blendete dabei einfach aus, dass Foxconn eben auch für andere Hersteller unter den gleichen Bedingungen produziert.
Apple, damals noch unter Steve Jobs, begann Zulagen an die Mitarbeiter von Foxconn zu zahlen, die in die Apple-Produktion eingebunden waren. Nur Apple tat das. Man stelle sich das vor: Ein Auftraggeber holt sich das Angebot von einem OEM-Fertiger. Dieser macht ein Angebot und der Auftraggeber nimmt es an. Damit ist aber ein großer Teil der Verantwortung beim Auftragnehmer. Hier geht jetzt aber ein Auftraggeber hin und zahlt einen Teil des Gehaltes der Arbeiter seines Auftragnehmers. Das ist schon mehr als nur ungewöhnlich.
Für die Öffentlichkeit kümmert sich Apple jetzt also um die Arbeiter. Das ist aber auch wieder nur die halbe Wahrheit, denn das tun sie bereits seit einigen Jahren. Im letzten Jahr deckte Apple bei den Kontrollen seiner Zulieferer auf, dass es in einigen Betrieben Kinderarbeit gab. Apple unterbrach die Verträge oder kündigte sie direkt. Mir ist kein anderer Hersteller bekannt, der mit solchen Ergebnissen an die Öffentlichkeit gehen würde – noch, ob überhaupt solche Kontrollen stattfinden. Bekannt sind sie aus dem Bekleidungssektor – werden aber noch lange nicht von allen Herstellern durchgeführt, wie beispielsweise die Stiftung Warentest regelmäßig zu berichten weiss.
Kommen wir aber wieder zum Ausgangsthema zurück. Tim Cook will jetzt die Bedingungen verbessern, für die er am Beispiel Apple auch ein Stück weit die Verantwortung trägt.
Apple ist ein Konzern und Konzerne tun nichts, ohne einen Plan in der Hinterhand zu haben um seine eigene Marktposition zu verbessern. Auch in diesem Fall ist das nicht anders.
Schauen wir und den Markt an. Apple ist Marktführer im Bereich der Tablets. Kein anderer Hersteller schafft es derzeit vergleichbare Geräte mit entsprechender Qualität zu einem geringeren Preis als Apple anzubieten. Apple ist aber der einzige Hersteller von Consumer-IT-Elektronik der noch echte Gewinnmargen vorweisen kann.
Gehen wir weiter zu Notebooks. Auch hier ist es scheinbar der Konkurrenz nicht möglich, Geräte zu produzieren, die eine vergleichbare Qualität vorweisen und preislich Apple unterbieten (man vergleiche die Lenovo ThinkPad-T-Serie). Dieser Fakt treibt mittlerweile ziemlich seltsame Blüten, so beschimpfte HP kürzlich im Rahmen der CES 2012 die Firma Apple weil sie ihre Geräte zu preiswert verkaufen würde. Bringen wir uns in Erinnerung: Apple kann als einziges Unternehmen in diesem Bereich noch Margen vorweisen.
Und jetzt fragen wir uns: Was passiert, wenn sich die Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben verbessern? Die Preise für die Komponenten werden steigen. Das führt aber automatisch zu steigenden Preisen für die Endprodukte.
Bei Apple sind die Margen üppig genug um steigende Preise für Komponenten ein Stück weit mit ihnen zu verrechnen (Apple hat enorm steigende Absatzzahlen, so dass mit geringeren Margen immer noch völlig ohne Anstrengung ein höherer Gewinn erzielt werden kann). Bei den anderen Herstellern ist das aber genau nicht der Fall. Aus diesem Grund hat IBM schon vor Jahren seine defizitäre Computer-Sparte abgestossen und auch HP hatte angesichts der schlechten Geschäftszahlen im Jahr 2011 über einen ähnlichen Schritt nachgedacht. Weitere Hersteller werden in den kommenden Jahren angesichts eines schwindenden Marktes folgen.
Wenn Apple jetzt also öffentlichkeitswirksam für bessere Bedingungen in den Zulieferbetrieben plädiert, geraten die anderen Hersteller damit automatisch unter Zugzwang – sie sind es plötzlich, die in einem schlechten Licht erscheinen. Sie müssen künftig zu höheren Preisen einkaufen und ihre Produkte mangels entsprechender Margen teurer machen. Dagegen könnten die Preise von Apple stabil bleiben und sich so die Marktsituation für die anderen Hersteller deutlich verschlechtern. Neben den Arbeitern in den Zulieferbetrieben dürfte Apple als einziger mit Gewinn aus dieser Situation hervorgehen.
Ich will hier ganz sicher nicht die Firma Apple mit einem Heiligenschein ausstatten und in gleißendes Licht tauchen. Was mich aber wirklich ärgert ist wenn aufgrund mangelnder Informationen vollkommen unsachliche Diskussionen geführt werden. Wäre eine andere Firma in der gleichen Situation und hätte ähnliche Aktivitäten in der Vergangenheit vorzuweisen, wäre dieser Artikel genauso, nur mit anderem Warenzeichen entstanden.