Dear Sophie

Google macht Werbung mit einem neuen Video, das sich innerhalb kürzester Zeit bei YouTube zu einem echten Renner entwickelt hat. Die Story ist schnell erzählt: Ein Vater schreibt seiner Neugeborenen Tochter E-Mails über Googlemail und hinterlässt Impressionen ihrer ersten Lebensjahre. Ich habe mir einmal ein paar Gedanken dazu gemacht, die vielleicht nicht dem entsprechen, was der Werber zu vermitteln hofft…Zuerst kommt hier einmal das Video, damit jeder sich selbst ein Bild machen kann:

Klar ist, dass mit diesem Video sehr stark die weiche Seite der Zuschauer angesprochen werden soll. Ein kleines Kind und ein Vater, der dessen Geburt, erste Schritte und das heranwachsen dokumentiert um es dem Kind später zur Verfügung zu stellen.

Früher, als es noch kein Internet gab und die Menschen noch Zeit für ihren Nachwuchs hatten, setzten sich die Eltern mit den Kindern hin und erzählten ihnen davon als sie noch klein waren, zeigten Fotos und es gab ein schönes familiäres Zusammensein. Google wirbt nun dafür, dass genau so etwas nicht mehr stattfinden soll. Statt zusammen in Erinnerungen zu schwelgen und durch viele kleine Details dem Kind die Möglichkeit zu geben, sich ein vollständiges Bild zu machen, soll man nun lieber einfach alles an eine E-Mail-Adresse schicken und das Kind möge sich diese Dinge dann doch bitteschön selbst anlesen, wenn es groß genug ist.

Mir gefällt diese Idee nicht wirklich, führt es doch nur noch weiter in Richtung einer vereinsamten Gesellschaft in der jeder vor seinem Computer hockt und soziale Zusammenhalte simuliert. Die Welt besteht halt nicht nur aus facebook und twitter, sondern aus realen Menschen mit denen man auch real interagieren muss.

Dadurch wirkt das Video leider wenig überzeugend. Klar, auf den ersten Blick kommt es sich zu einer emotionalen Hormonausschüttung, aber wenn man kurz drüber nachdenkt kommen doch einige Fragen.

Warum sollte ein Vater seiner Tochter also E-Mails schreiben, anstatt ihr direkt aus erster Hand und persönlich von ihrer Kindheit zu berichten? Es gibt nicht viele Möglichkeiten:

Der Vater stirbt

In diesem Fall hätte das Video wirklich eine Botschaft. Der Vater weiss, dass er nicht lange genug leben wird um mit seiner Tochter seine Erinnerungen zu teilen. In diesem Fall hätte er nur die Möglichkeit, die Daten irgendwo niederzuschreiben damit die Tochter sie später zu sehen bekommt und so wiederum ihren Vater in positiver Erinnerung hält.

Dann wäre das Video wirklich maximal sentimental und der eine oder andere würde vermutlich vor dem Fernseher sitzen und sich eine Träne wegwischen.

Aber was würde das dann aussagen? Für Google, meine ich? Der Spot hätte dann die Aussage: Guck, wenn Du todkrank bist und Deinen Lieben eine Erinnerung hinterlassen möchtest nutze Google.

Die Tochter stirbt

Wenn es der Vater weiss, dass wäre es vergleichbar mit Leuten, die regelmäßig Briefe an Verstorbene Angehörige schicken. Das kommt durchaus vor und hilft einen großen Verlust zu verarbeiten. Das Mailkonto würde – anders als die nie abgeschickten Briefe – sogar eine Art reale Konversation simulieren, denn die Nachricht wird real verschickt.

Wirklich positiv ist aber auch diese Werbeaussage nicht.

Wenn der Vater aber nicht weiss, dass die Tochter im Kindsalter versterben wird, dann endet es in einem Fiasko, denn der Vater kann immer und immer wieder mit den schönen Erinnerungen seine Trauer auffrischen. Das erscheint aber auch nicht wirklich erstrebenswert.

Die Tochter hat eine Gedächtnisstörung

Wer den Film „50 erste Dates“ gesehen hat, weiss was ich meine. Das Mailkonto übernimmt quasi die Aufgabe, ein Zeitraffer des Lebens zu sein. Immer, wenn das Vergessen kommt, kann die Erinnerung für einen absehbaren Zeitraum zurückgeholt werden.

Das weiss der Vater allerdings noch nicht vor oder unmittelbar nach der Geburt. Daher ist wenig nachvollziehbar, wieso er in diesem Fall die Daten aufschreibt.

Fazit

Letztlich bleibt das Video was es ist. Ein gequält sentimental wirkendes Werbevideo eines Großkonzerns, der möchte, dass noch mehr Leute ihm noch mehr Daten anvertrauen. Das dürfen auch gerne Daten von Leuten sein, die noch gar nicht geboren sind.

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